Wenn OnlyFans zur Bibel für HR-Propheten wird

Toygar Çınar, selbsternannter Gamechanger in People, Strategy & Growth, hat den neuesten Offenbarungseid in die LinkedIn Blase getippt:

OnlyFans als Vorbild für die Zukunft der Arbeit.

Seine Milchmädchenrechnung klingt wie ein PowerPoint-Slide aus der „Clerici School of Buzzword Evangelism“:

  • OnlyFans: 37,6 Mio Umsatz pro Mitarbeiter
  • Apple: 2,4 Mio
  • Microsoft: 1,1 Mio
  • Amazon: 0,4 Mio

Und daraus zieht er die heilige Lehre: „Arbeit ist kein Input. Arbeit ist ein Designproblem.“

Das Absurde an der „Gamechanger“-Weisheit

OnlyFans beschäftigt eine kleine Kerntruppe, zieht 20 % Provision aus Abos, Pay-per-View-Nachrichten und Trinkgeldern – und lässt die eigentliche Wertschöpfung von Millionen (meist weiblichen) Creators erledigen, die sich größten Teils nur beim Ficken filmen.

Die 80 % bleiben bei ihnen – aber genau weil sie nicht als Mitarbeiter zählen, schießt die Kennzahl „Umsatz pro Kopf“ durch die Decke.

Kurzformel:

  • Viele Körper außerhalb der Bilanz → viel Umsatz je Kopf innerhalb der Bilanz.
  • Plattformökonomie ist kein Produktivitätswunder, sondern Bilanz-Akrobatik.

Amazon hingegen bewegt globale Lieferketten, Apple entwickelt Technologien, Microsoft betreibt die IT-Infrastruktur der halben Welt. Alles „ineffizient“, wenn man sie gegen eine Sexplattform hält, die Wertschöpfung externalisiert und Einnahmen zentralisiert.

Das ist, als würde man sagen:

👉 „Mein Kaugummiautomat hat mehr Umsatz pro Mitarbeiter als Siemens – also ist er die Zukunft der Industrie.“

Buzzword-Feuerwerk aus der Clerici-Blase

Natürlich kommt das Ganze nicht nackt daher, sondern im LinkedIn-Latex der Floskeln:

  • „Kompetenzen kuratieren statt akkumulieren.“
  • „Value-Streams orchestrieren.“
  • „Arbeit designen, nicht managen.“Alte Leier, diesmal nur mit Porno-Schminke.

Die angebliche „Architektur der Arbeit“ ist nichts anderes als: Arbeit raus, Rendite rein.

Zwischenspiel:

Die Blase antwortet

Die Kommentare darunter sind ein Kabarett für sich:

  • Jasmin: „Das ist, als ob man Wale mit Giraffen vergleicht.“ (Stimmt – nur wollte Toygar mit Giraffen die Luftfeuchtigkeit messen.)
  • Walter entdeckt: KPIs taugen nur im selben Modell. Applaus, als hätte er gerade die Zahl Pi erfunden.
  • Marc fragt, ob OnlyFans Lagerhaltung und F&E betreibt. Toygar: „Ich vergleiche gar nicht, ich schaffe Transparenz.“ Transparenz heißt hier: Scheinwerfer auf Nebel.
  • Özgür nennt es, was es ist: digitale Sklaverei. Danke. Einer spricht Klartext.
  • Miriam feiert HR als „Architekt für Wirkung“. Klingt wie die neue Priesterkaste.
  • Thomas H.: „Zählt man Creator als Mitarbeiter, kippt die Rechnung.“ Toygar: „Es geht nur um die Kennzahl.“ Perfekt: Wenn Realität stört, skaliert man die KPI.
  • Ole erklärt, wie Holdings jede Kennzahl frisieren können. Toygar: „Ich vergleiche nicht, wir lernen nur.“ Lernziel: Buchhaltungspoetik.
  • Ben: „Revenue ≠ Gewinn. Ausbeutung ≠ Effizienz.“ Satz mit Sprengkraft – aber die Blase nickt weiter andächtig.
  • Rocky liefert den Abriss: Plattformen simulieren Effizienz, indem sie Arbeitskosten externalisieren. Das ist Rent Extraction, keine Innovation. Punkt.
  • Clerici selbst tritt kurz hervor: „Muss mich vom Schock über OnlyFans erholen!“ Verständlich. Wenn deine Content-Bibel plötzlich Pornhub-Psalmen singt, bleibt nur noch betretenes Grinsen.

Fazit der Replies:

Die Blase diskutiert, ob die Farbe des Scheinwerfers nun blau oder rot ist – keiner fragt, warum er auf Nebel gerichtet wird.

Pointe

Toygar verkauft eine Bilanz-Optik als Management-Offenbarung.

„Arbeit designen“ klingt nach Fortschritt, ist hier aber nur der schönfärberische Ausdruck für:

  • Arbeit auslagern
  • Rendite einlagern
  • Zahlen aufblasen

Das ist kein Paradigmenwechsel, sondern die digitale Zuhälterei des Kapitalismus: Arbeit verschwindet aus der Bilanz, Rendite taucht als Effizienz auf.

Schluss-Schlag

Das wahre Drama ist nicht die „Architektur der Arbeit“.

Es ist die Architektur der Illusion: Manager, die sich OnlyFans-KPIs wie Bibelverse an die Pinnwand tackern und sich einreden, darin stecke die Zukunft der Arbeit.

In Wahrheit steckt darin nur das älteste Geschäftsmodell der Welt – jetzt halt mit API, Dashboard und LinkedIn-Hashtag.

Amen.

Quelle: https://www.linkedin.com/posts/tcinar_gamechanger-activity-7381199114937573376-ex3W?utm_source=share&utm_medium=member_desktop&rcm=ACoAAFNtzaMBM4e6hDQPSIjOeLuP-3SfLyh2N3I


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Tom Weber

Tom Weber – Beruf: Störenfried. Diagnose: chronisch allergisch gegen Heuchelei, Doppelmoral und staatlich geprüften Schwachsinn. Schreibt auf dem Strafplaneten über alles, was im offiziellen Irrenhaus als „normal“ gilt – und daher dringend untersucht werden muss

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