Ein Feldbericht aus dem digitalen Irrenhaus
Willkommen auf Instagram – dem digitalen Jahrmarkt für Aufmerksamkeitsjunkies mit spirituellem Etikett.
Was früher die Telefonzelle für Notgeile war, ist heute der Feed für „empowered Women“ mit OnlyFans-Link in der Bio und einem Pseudocoaching im Angebot, das bei genauerem Hinsehen nichts anderes ist als:
Esoterisch aufgepimpter Selbstbetrug mit eingebauter Monetarisierungsschleife.
Die Hauptdarsteller
1.Das Insta-Püppi mit Businessplan
Blonde Extensions, Duckface und 200 Storys am Tag.
Erst war sie „Fashion Enthusiast“, dann „Content Creator“ – und nach einem dreitägigen Online-Seminar plötzlich:
„Certified Conscious Wealth Witch – Guiding You Into Your Divine Revenue Frequency“
Klingt wie LSD mit Steuerberater – ist aber nur Canva + Kosmetikfilter + Daddy Issues.
2.Der Muskel-Hirni im Selbstheilungsmodus
Oberkörper frei. Stirnband. Tribal-Tattoo.
Macht jetzt Coaching für Männer, weil sein Ego in der Muckibude keine Gains mehr bekommt.
„Ich war toxisch, aber jetzt bin ich Raumhalter für bewusste Maskulinität.“
Er hält Raum. Vor allem für sich selbst. Und seine Spiegelreflexkamera.
3.Die Kakao-Göttin
Kakaoritual in Bali.
Fühlt sich mit dem Urgeist der Azteken verbunden.
Hat aber nie gelernt, wie man ein Bankkonto ohne Papa eröffnet.
Lebt von Zoom-Calls, die sie „Zeremonien“ nennt, in denen sie andere anleitet, „ihr inneres Nein zu ehren“ – für nur 199 € im Early-Bird-Tarif.
4.Die Generation Z-Therapeutin
22 Jahre alt, drei Burnouts und vier Instagram-Accounts.
Diagnose: ADHS, Hochsensibilität, toxische Ex-Beziehung.
Berufung: „Trauma-Informed Nervensystem-Regulatorin & Safe Space Facilitatorin für neurodivergente Identitäten im digitalen Wandel.“
Klingt wie ein Pflegestufenbescheid von Elon Musk. Ist aber nur TikTok-Horoskop auf DMT.
Die „Spiritualpreneur“-Ökonomie
Sie verkaufen keine Produkte – sie verkaufen sich selbst.
Nicht als das, was sie sind, sondern als das, was du glauben sollst, dass sie sind.
Ein endloses Theater der „authentischen Selbstdarstellung“, bei dem jede Story inszenierter ist als die Oscar-Rede von Will Smith.
Selflove! Empowerment! Healing!
Und immer, immer schön dabei lächeln. Auch beim Nervenzusammenbruch.
Und wenn trotz aller gekauften Follower, teuren Mentorships und der täglichen Dosis Manifestationsreels trotzdem nichts durchstartet?
Wenn der Algorithmus sich einen anderen Liebling sucht,
wenn die Reichweite weg ist und das Erwachen stockt?
Dann bleibt immer noch OnlyFans.
Weil da draußen tausende einsame Content-Creator lauern,
die längst den Bezug zur echten Welt verloren haben – aber bereit sind, für ein bisschen digitale Ersatzbefriedigung zu zahlen.
Der Wahnsinn in Zahlen
- 15 k Follower, 10 k davon gekauft
- 3 Zertifikate aus Fernkursen mit Comic Sans
- 17 Reels pro Woche mit „my journey from pain to purpose“
- Eine Community aus lauter anderen Pseudocoaches, die sich gegenseitig liken – in einem endlosen Kreislauf aus Selbstbestätigung und kollektivem Realitätsverlust
Fazit:
Instagram ist kein soziales Netzwerk.
Es ist eine Halluzination mit Filter. Ein kollektives Rauschen aus nackter Haut, leerer Spiritualität und toxischer Selbstvermarktung,
bei dem jeder schreit: „Sieh mich!“
aber niemand mehr hinschaut – weil es eh alles gleich klingt.
Wer hier noch atmet und nicht „Manifestieren“ mit „Schaffen“ verwechselt, verdient Applaus. Und wahrscheinlich eine Therapie.
Denn irgendwann wirst du müde von all den Fake-Gurus, Pleasure-Coaches und Visibility-Schamaninnen –
und du fragst dich:
Bin ich der Letzte, der noch normal ist?
Antwort:
Nein.
Aber du bist einer der Wenigen, der’s noch merkt….




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