Willkommen im moralischen Swingerclub“
Früher war Scham das Sicherheitsgeländer der Zivilisation. Heute stehen wir kollektiv auf dem Dach, pinkeln runter und nennen es „Selbstverwirklichung“. Was man einst unter der Tischdecke versteckte, wird jetzt auf TikTok mit Glitzerfilter hochgeladen – und wer fragt, ob das vielleicht peinlich ist, bekommt sofort den Vorwurf „Shaming“ an den Kopf geklatscht, als hätte man gerade öffentlich Hundebabys geschlachtet.
Scham war mal der innere Türsteher, der flüsterte: „So gehst du nicht raus.“ Heute haben wir den gefeuert, weil er angeblich „toxisch“ war – und wundern uns, warum die Gesellschaft aussieht wie ein After-Hour-Club um sieben Uhr morgens.
Best-of der neuen Tugenden
- Mutter postet halbnackte Empowerment-Selfies, während der Sohn in der Schule „Milf Hunter“-Spitznamen sammelt.
- Influencer filmt sich beim Erfahren vom Tod der Oma – Content is King, selbst wenn er nach Formalin riecht.
- Politiker erzählt die Familientragödie im Wahlkampf – Tränen in Stimmen umwandeln, die Alchemie des 21. Jahrhunderts.
- „Ich bin halt so“ ersetzt Selbstreflexion – früher Charakterschwäche, heute Authentizität.
Wir haben die Werte umgekehrt wie ein durchgeknallter Interior-Designer:
- Demut = Schwäche.
- Arroganz = Stärke.
- Treue = toxisch.
- Verantwortung = altmodisch.
- Integrität = nur dann relevant, wenn der Algorithmus mitspielt.
Und wenn jemand wagt, einen Standard zu setzen, heißt es: „Das ist aber nicht sehr inklusiv.“ Ja – und eine Eintrittskarte fürs Freibad ist auch nicht „inklusiv“ für Leute ohne Badehose.
Die neue Moral ist einfach:
„Alles ist erlaubt, solange du es mit einem Selfie dokumentierst.“
Echte Tugend? Keine Klicks. Aufgesetzte Tugend? Viral in drei Stunden. Wer still Gutes tut, ist unsichtbar. Wer Gutes spielt, bekommt Werbedeals.
Und dann kommt der Satz, der alles zusammenfasst:
„Ich bin halt so, wer das nicht mag, soll sich verpissen.“
Früher hieß das: Ich bin ein Arschloch. Heute heißt das: Ich bin authentisch. Die Weigerung, sich zu verbessern, wird als Befreiung verkauft – in Wahrheit ist es moralische Faulheit im Glitzeranzug.
Wir haben den moralischen TÜV abgeschafft, weil er das Fahrgefühl stört, und fahren jetzt mit 180 durch die Fußgängerzone. Schamlosigkeit wird als Freiheit gefeiert, dabei ist sie nur die Vorstufe zur Verwahrlosung. Und der schlimmste Satz unserer Zeit?
„Das ist meine Wahrheit.“
Nein, das ist deine Ausrede.
Schlusskopfnuss:
Wir brauchen die gesunde Scham zurück. Nicht die zerstörerische Selbstzerfleischung, sondern den inneren Türsteher, der sagt: „So gehst du nicht raus.“
Und wer jetzt beleidigt ist, weil er sich ertappt fühlt – Glückwunsch. Das war der ganze Plan.




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