Der tägliche Wahnsinn zwischen Verkehr und IT
Ein kleiner Erlebnisbericht vom Strafplaneten
Zwei Tage zwischen IT-Wahnsinn und Verkehrswahnsinn in meinem Kaff. Serviert nun fast schon täglich.
Heute Morgen
Alles beginnt mit einem harmlosen Wunsch:
Ich will nur meine Substack-Texte in einen Podcast gießen. Dafür brauche ich eine Stimme auf meinem Mac, die nicht klingt wie ein Roboter aus den 80ern. Also: Anna erweitert oder Markus erweitert runterladen – und los geht’s.
Doch 2025 heißt: „Stimme runterladen“ gleich „Willst du den Weltfrieden gefährden?“.
Warum? Weil ich gestern bei einem Cloud-Anbieter für Text-to-Speech auf eine rote Wand geknallt bin: „Sensible Inhalte, nicht erlaubt!“
Mein Text über Charlie Kirk – einfach blockiert. Bezahl-Abo hin oder her.
Einblendmenü, rotes X neben dem Absatz – ganz offen.
Also: zurück zu Apple, dachte ich. Aber auch hier blockiert das System. Fenster friert ein, Stimmen tauchen nicht auf. Willkommen im Zensur-Ballett.
Nicht Weltfrieden, nicht ewiges Leben, nicht mal ein Parkplatz in St. Pölten.
Nein: Anna erweitert sollte auf meinen Mac. Eine Stimme. Mehr nicht.
Aber im Jahr 2025 ist das ungefähr so, als würdest du beim Papst an der Tür klingeln und fragen, ob er dir kurz sein WLAN-Passwort gibt.
Antwort: Error. Fenster blockiert. Unsichtbare Hand zieht dir den Teppich weg.
Dann ging es Richtung Büro…
Verkehr: die Zombie-Ampel und der Kreisverkehr der Verdammten
Der Ampelterror
Vor sieben Uhr rausche ich in fünf Minuten ins Büro. Kaum ein Auto, freie Bahn.
Aber zehn Minuten später: Stau-Oper im Provinz-Kaff.
Alles handgemacht, als ob ein unsichtbarer Regisseur die NPCs (Nicht-Spieler-Charaktere) genau dann auf die Straße schickt, wenn du unterwegs bist.
Ich sitze im Auto, zehnter in der Reihe. Ampel wird grün. Nichts passiert.
Der Erste glotzt aufs Handy, der Zweite kaut imaginären Kaugummi, der Dritte lädt wahrscheinlich gerade seinen eigenen Schatten auf OnlyFans hoch.
Fünf Autos schleppen sich rüber, dann wieder rot. Ich koche.
Und ewig grüßt der Kreisverkehr.
Endlich kommt Bewegung in den dunklen Auto-Corso. Betonung auf bewegen – von „fahren“ sind wir weit entfernt. Wir nähern uns dem Kreisverkehr, und dort nimmt das nächste handgemachte Desaster seinen Lauf.
Alle Schleicher bleiben stehen und glotzen. Aber wohin?
Auf die rostige, verbogene Eisenbahnschiene im Zentrum, für die ein Linzer Kunststudent mit roter Gemeindeförderung vermutlich hunderttausend Euro kassiert hat?
Oder auf die Autos, die eh schon blinken, um rauszufahren?
Egal. Die Masse bleibt brav vorm Kreisverkehr stehen wie Schafe vorm Sauftrog.
Bewegen (fahren traue ich mich gar nicht mehr zu sagen) – Fehlanzeige.
Jetzt kann sich jeder ausmalen: Wenn du zehn solcher übervorsichtigen Spinner vor dir hast, wie lange brauchst du, um von 70 Metern Entfernung den Kreisverkehr wieder zu verlassen?
Gefühlt eine halbe Stunde – plus drei Tage Lebensverlust, weil der Blutdruck so steigt, dass die Ader an der Stirn anschwillt, als hättest du plötzlich einen deiner Dreadlocks im Gesicht, die du gar nicht hast.
So geht das in Schleife.
Das ist nicht Verkehr. Das ist ein Massen-Hypnoseexperiment.
Ein Sprung zurück zu gestern.
iPhone-Transfer: Mission Absurdita
Meine Mutter gönnt sich ein neues Handy – ein iPhone 17 Air.
Ihr altes, ein iPhone 12, hätte locker noch ein paar Jahre gehalten, aber Akku tot und sie wollte ein größeres Display. Also: Upgrade. Das alte wird refurbished und als Backup behalten.
Jetzt beginnt der ganz normale IT-Wahnsinn.
Beim letzten Wechsel war’s simpel: beide Telefone nebeneinander gelegt, sie haben sich erkannt, kurz gefragt „Willst du die Daten rüberschicken?“, bestätigt – und nach einer halben Stunde war alles drüben. Klar, die Apps mussten danach noch aktualisiert werden, aber das war’s.
Diesmal hat Apple die Schrauben angezogen.
50 GB Daten, angekündigte Übertragungszeit: drei Stunden. Ich sitze daneben, fassungslos. Am Ende waren es knapp zwei. Als ich den Prozess startete, war ich glatt rasiert. Als er beendet war, hatte ich Vollbart und musste erstmal ins Bad zur professionellen Entfernung der Haarpracht. Problem: Meine Mutter hatte weder die Gerätschaften dafür, ich noch die Zeit.
Doch der eigentliche Hammer: das neue iPhone 17 Air hat keine physische SIM-Karte mehr. Nur noch eSIM.
Also ratloser Blick – wie machen wir das nun? Aber wozu hat man eine KI?
Die KI ganz zuversichtlich:
a) Am Ende des Transfers wirst du aufgefordert, die alte SIM auf die neue eSIM zu übertragen.
b) Falls nicht, einfach Magenta-App laden, QR-Code generieren, mit neuem Handy scannen – fertig.
Klingt super easy. Nur: in meiner Realität funktioniert sowas nie.
Das iPhone grinste mich an, als wollte es sagen: „Du Naivling. Glaubst du wirklich, das geht so einfach?“ Auf dem Display sah ich förmlich die zuckerlrote Ätschi-Bätsch-Zunge.
Nach fast 40 Jahren IT müsste ich es eigentlich besser wissen: Die Systeme sind nicht da, um dir zu helfen – sie wollen dich nur verarschen und deinen Puls hochtreiben. Sie wollen, dass du spürst, dass du lebst – während sie gleichzeitig an deinen letzten Vitalfunktionen zerren.
Vielleicht liegt’s auch daran, dass KIs kein Zeitgefühl kennen. Für die KI vergeht zwischen Vorschlag („mach mal so und so“) und deinem Zusammenbruch („ich geb auf und schmeiß das Ding aus dem Fenster“) genau eine Sekunde.
Für dich: zwei Tage Urlaub, Nerven wie Drahtseile und drei Packungen Marlboro – falls du noch rauchst.
Und dann der große Showact:
Die zwei Geräte klonen gegeneinander, als müssten sie gerade die nächste Marsmission berechnen. Datenstrahlen, Fortschrittsbalken, blinkende Statusmeldungen – alles dabei.
Das Absurde: dahinter steckt nichts anderes als Bluetooth.
Mit AirDrop jagst du mehrere Gigabyte in Minuten rüber – zack, erledigt. Aber beim iPhone-Transfer benehmen sich die Geräte, als würden sie sämtliche Schriften der Menschheit auf Papyrusrollen übertragen. Mit Tusche. Von Hand. In einer Klosterzelle. Bei Kerzenlicht. Und sakralen Gesängen, die ich inzwischen auch in meinem Kopf höre…
Nur am Ende fehlt das Wichtigste: die SIM. Einfach weg. Verschwunden wie der gesunde Menschenverstand.
„Keine Sorge“, sagte auch der Verkäufer, „am Ende taucht ein Menü auf, mit dem Sie die SIM rüberziehen können.“
Ja eh. In meiner Realität taucht kein Menü auf. Stattdessen der Hinweis: „Magenta-App laden, QR-Code generieren, damit scannen.“
Gesagt, getan – und dann die Ernüchterung. Eine App, die aussieht wie eine Mischung aus Spielautomaten und Teletubbies. Alles blinkt, alles hüpft, alles schreit – nur nicht nach einem QR-Code, sondern ausschließlich nach neuen Verträgen und Abos.
Und der QR-Code, den man wirklich braucht?
Der liegt so tief im System vergraben wie die Bundeslade in Indiana Jones.
Am Ende stehst du da wie ein dressierter Affe, der sich im Magenta-Clownszirkus durch bunte Animationen klickt, während im Hintergrund schon die Manege aufgebaut wird.
Magenta ist kein Netzbetreiber.
Magenta ist ein wandernder Zirkus. Eintritt frei, Ausgang nur mit Abo.
Und am Ende bleibt mir nichts anderes übrig, als doch wieder zum Händler zu fahren – damit er mir das Problem löst, das er selbst erschaffen hat. Denn der ganze IT-Affenzirkus kann nur eines: dir etwas Neues verkaufen.
Finale mit Dracula
Irgendwann, mitten in diesem ganzen IT-Zirkus, kommt mir ein Bild:
Ihr kennt doch sicher Bram Stokers Dracula aus dem Jahr 1992, inszeniert von Francis Ford Coppola. Gary Oldman als Graf Dracula, Keanu Reeves als junger Jonathan Harker, Winona Ryder als Mina, Anthony Hopkins als Van Helsing – und der unvergleichliche Tom Waits als Renfield.
Renfield, der arme Teufel, Harkers Vorgänger, der durch Draculas Behandlung völlig den Verstand verliert. Eingesperrt in einer Zelle, mit Zwangsjacke gefesselt, Haare zerzaust, sabbernd, Fliegen und Spinnen verschlingend – und dabei nur noch ein Wort im Mund: „Meister“.
„Meister! Meister, ich habe gedient! Hol mich, Meister!“ ruft er ekstatisch in die Nacht, in der verzweifelten Hoffnung, dass Dracula ihn endlich erlöst.
Warum gerade dieses Bild?
Weil genau so fühlen wir uns heute.
Wir fressen die Fliegen der Digitalwelt – bunte Apps, Zirkus-Animationen, endlose Fortschrittsbalken. Wir lassen uns fesseln von QR-Codes, eSIMs und roten Xs in Programmen, die uns sogar die eigene Stimme verbieten. Wir verlieren die Kontrolle, werden entmündigt, Schritt für Schritt.
Und irgendwann sitzen wir selbst wie Renfield in unserer digitalen Zwangsjacke, halb wahnsinnig, halb ergeben, und rufen in die Nacht:
„Meister Elon! Meister Mark! Meister Cook! Ich habe gedient! Ich habe brav die eSIM installiert, alle Updates geschluckt, meine Daten abgegeben!
Jetzt hol mich hier raus, Meister!“
Aber der Meister kommt nicht.
Er schickt nur das nächste Update.




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