Warum unser Straßenbild aussieht wie der Hoflieferant des örtlichen Bestattungsinstitut
Farbe gibts nur mehr in den Wetterkarten des ÖRR
Damals:
Erinnerst du dich noch an die 70er und 80er, als Parkplätze aussahen wie ein Skittles-Beutel? Knallrot, giftgrün, sonnengelb, himmelblau. Schon der Anblick verursachte Karies und den schnellen Weg zum Zahnarzt deines Vertrauens. Doch das Herz lachte über all diese Farben. Selbst ein rostiger B-Kadett brachte mehr Freude ins Straßenbild als heute ein fabrikneuer Agent Smith SUV.
Heute:
jeder Parkplatz, jeder Autohändler und die Straßen eine Trauerfeier.
BMW, Audi, Mercedes – 90 % in Schwarz, Dunkelgrau oder Anthrazit. Dazwischen mal ein weißes Auto, das aussieht, als ob sich ein Krankenwagen verirrt hätte, und vielleicht ein einzelner blauer Wagen, den man sofort für ein Ausstellungsstück hält.
Die Autohäuser wirken wie Hoflieferanten der örtlichen Bestatter. Man möchte fast fragen, ob es beim Kauf eine Gratis-Schaufel und einen Trauerkranz dazugibt.
Und wenn du die Verkäufer fragst, warum das so ist, sagen sie unisono:
„Der Kunde will das.“
Die Autohändler erzählen dir ja immer dieselbe Leier:
„Alle wollen diese edlen, gedeckten Töne. Schwarz, Grau, Silber. Zeitlos.“ Men in Black Trifft auf Agent Smith aus der Matrix Look.
Ich übersetze das mal: Ich gehe zum lachen in den Keller und genau diese Attitüde soll auch mein Auto von der ersten Minute aufzeigen.
Und dann die nächste Erklärung: Farbe am Auto? Das ist reine Verhandlungssache – und zwar nicht zwischen Kunde und Verkäufer, sondern zwischen Mann und Frau.
Hat ER das letzte Wort: Zack! – rollender Grabstein, frisch aus dem Katalog der Bestattermesse. Hat SIE die Hosen an: Bämm! – plötzlich fährt ein Zartlila-Flitzer mit „Schmetterlingstränen-Effektlack“ vor, bei dem selbst der Lackierer einen Nervenzusammenbruch hatte.
Und jetzt wird’s spannend:
Frauen zeigen beim eigenen Auto gern Mut zur Farbe. Da knallt’s wenigstens ein bisserl auf der Straße. Das sind dann die 0,00001% Zuckerl-Rosa, Gagerl-Gelb, Butzi-Blau, Einhorn-weiß mit Pride-Regenbogen usw. Autos die wir gelegentlich irgendwo sehen.
Da kann es schon mal ein wenig skurril werden… Aber wehe,
dieselbe Frau sitzt in einem typischen Männerauto – SUV, Limousine, Sportwagen. Zack, Puff, PENG! – sofort zurückverwandelt in Schwarz, wie die Sonnenbrille von Will Smith und der stets gebügelte Anzug von Tommy Lee Jones in Man in Black.
Unterstatement nennt er das. In Wirklichkeit: Tarnmodus und schaut her, ich bin die coole Sau aus dem Film Matrix nein besser Men in Black!
Bullshit!
Die Kunden glauben, dass sie es wollen. Weil ihnen seit Jahren eingeredet wird:
– Schwarz = Eleganz.
– Grau = Zeitlosigkeit.
– Silber = Professionalität.
In Wahrheit heißt das:
– Schwarz = Verdrängung.
– Grau = Gleichschritt.
– Silber = „Ich will nicht auffallen, ich will verschwinden.“
Und wehe, du willst tatsächlich Farbe: Leasingfirmen hauen dir sofort die Rate rauf. „knalliges Orange oder Rot? Mutig, Herr Weber – das macht dann 120 Euro mehr im Monat.“
Und dann gibt’s da noch die Endstufe des Lackieren:
Den matten Lack.
Grundsätzlich schön anzusehen – solange du das Auto in einer sterilen Glasvitrine aus schusssicherem, 20 mal gefaltetem, russischem, explosivresistenten Panzerglas im Vakuum parkst. Am besten in einem Keller, in dem das Klima mittels eigenem Atomkraftwerks-Anschluss konstant auf Zigarren-Wellness-Temperatur gehalten wird.
Denn wehe, ein harmloses Blatt segelt im Herbst von einem Baum aufs Dach: Zack – 3.000 Euro für die „Nachlackierung des halben Wagens“.
Oder du wagst es, dich mit deiner neuen 1500 Euro Designer Jeans im Endzeit Fetzenlook, also nur partieller und komplette zerissener Stoff unterhalb deiner Eier an die Tür zu lehnen – schon hast du gefühlt einen Totalschaden, der aussieht, als hätte ein brunftiger Elch seine Testikel genüsslich über dein Auto gerieben.
Die Lackierer jubilieren, die Leasingfirmen mit Ratenerhöhung gleich mit. Und du stehst da mit deinem Understatement-Mobil, dessen Lackierung so fragil ist wie eine 14-jährige Influencerin beim ersten Hate-Kommentar.
So drückt man den Menschen die letzte Farbe aus der Seele.
Rot – einst das Symbol für Leidenschaft, Geschwindigkeit, Ferrari – ist heute so tabu wie ein Lachen auf einer Beerdigung.
Lieber also ein rollender Schatten auf vier Rädern, LED-Scheinwerfer wie Grabkerzen, Software-Update inklusive. Das nennen sie dann „Understatement“. Früher hieß das schlicht Depression.
Die Leute feiern es auch noch.
Sie reden sich ein, mattgrau sei „Stil“. In Wahrheit fahren sie ihre Depression zur Arbeit und wieder heim.
Der Lack ist nicht ab – er war nie da.
Unsere Straßen sehen mittlerweile aus wie ein Mafia-Beerdigungszug in Palermo. Ein Zug aus lauter schwarzen und mattgrauen Limousinen, nur dass hinten keiner mit Maschinengewehr aussteigt, sondern Müsli-Sören mit dem Jutebeutel vom Bioladen.
Und während wir unsere Autos farblich beerdigen, explodiert die Farbe woanders: auf der Wetterkarte im ÖRR. Bei 26 Grad Höchsttemeperatur kriegst du da mittlerweile einen roten Feuerball serviert, als wär Mitteleuropa das Epizentrum eines neu entdeckten Supervulkans kurz vor der Eruption.

Rot ist nicht mehr Liebe – Rot ist heute “Achtung lebst du noch dann stirbst du morgen?
Fragt sich nur: Wie sehr spiegelt dieses Dunkel unsere Seelen?
Sind wir wirklich so verdunkelt, dass wir ein schwarzes Auto brauchen, um uns im Rückspiegel überhaupt noch zu erkennen?
Oder – und das wär der eigentliche Aufstand – wir lackieren die Karre wieder in Gelb, Pink, Türkis. Nicht, weil’s schöner ist. Sondern um zu prüfen, ob da in uns überhaupt noch ein Funken Farbe übrig ist.
Bis dahin:
Fahrt weiter eure rollenden Depressionen. Aber wundert euch nicht, wenn euch an der Ampel keiner mehr anlächelt. Weil einfach alle aussehen, als ob sie im gleichen Bestattungsinstitut unterschrieben hätten.
PS: Mein Wagen ist übrigens in einem knalligen Orange Lackiert!
Wenn dir der Artikel gefallen hat, dir ein Schmunzeln, Kopfschütteln oder einen kleinen Nervenzusammenbruch beschert hat – genau so war’s geplant.
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