Wenn Magenta die woke Welt erklärt
Es gibt Stellenanzeigen, die sind so absurd, dass man sie gar nicht mehr satirisch überhöhen muss. Sie sind bereits ein Selbstporträt der eigenen Lächerlichkeit. Und manchmal landen genau solche „Jobangebote“ auf meinem Tisch – besser gesagt in meinem Feed. Nehmen wir als Beispiel Magenta.
Zur Erinnerung: Das hier ist keine Satire. Das ist die echte Ausschreibung.
Originaltext Magenta (gekürzt, aber unverfälscht):
„Begeistere neue und bestehende Privatkund:innen direkt vor Ort für die Magenta Welt.
Verkaufe unsere Produkte aktiv und nachhaltig – von Internet über TV bis Mobile.
[…] Wir bei Magenta glauben an vielfältige Mitarbeitende und leben Chancengleichheit.
‚Kunde ist König‘ ist unser Versprechen.
Wir wollen gemeinsam gewinnen.
Du kannst dich auf mich verlassen.
Wir dürfen das und machen’s einfach.
Kein Bullshit Bingo – wir sagen was Sache ist.
Wir nehmen’s mit Humor.
Tickst du auch so? DANN BIST DU BEI UNS GENAU RICHTIG!“
Die Analyse
„Begeistere neue und bestehende Privatkund:innen für die Magenta Welt.“
Das ist nicht weniger als der Versuch, Klinkenputzen im 21. Jahrhundert salonfähig zu machen. Früher hieß das „Staubsaugervertreter“. Heute heißt es „Field Sales Agent“.
„Kunde ist König.“
Klar – solange er nicht merkt, dass sein Vertrag nach 12 Monaten teurer wird als eine Kreuzfahrt in der Karibik.
„Wir dürfen das und machen’s einfach.“
Eine Formulierung, die man sonst eher von pubertierenden Jugendlichen hört, kurz bevor sie ein Graffiti auf die Bahnhofsunterführung sprühen.
„Kein Bullshit Bingo – wir sagen was Sache ist.“
Das Beste daran: Genau dieser Satz IST das Bullshit Bingo.
Natürlich fehlt auch die moralische Zuckerglasur nicht:
„Wir begrüßen alle Bewerbungen unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Religion …“
Super. Nur schade, dass Diversität nichts daran ändert, dass du nach drei Monaten auf der Straße stehst, wenn die Oma in Niederösterreich einfach keinen Glasfaseranschluss will.
Und das Gehalt?
„Mindestens 48.000 brutto.“
Ja, wenn du jeden Tag 30 Leute überzeugst, Magenta zu wählen, obwohl A1 stabiler läuft. In der Realität reicht’s gerade mal für den Tank deines Dienstwagens.
Fazit:
Das hier ist kein Jobangebot, das ist ein Durchlauferhitzer für Bewerber. Du gehst rein, brennst kurz hell auf – und erlischt dann im Kündigungsgespräch nach der Probezeit.
Und nächste Woche steht die gleiche Anzeige wieder auf LinkedIn, schön pink glitzernd, als wär’s die Eintrittskarte ins Paradies. Man möchte fast applaudieren, weil der Text so perfekt die eigene Absurdität entlarvt.
Es ist eine Mischung aus Pfadfinder-Versprechen („Du kannst dich auf mich verlassen“) und Tinder-Profil („Wir nehmen’s mit Humor“).
Und das Beste: Sie schreiben ernsthaft, dass sie kein Bullshit Bingo betreiben – und liefern damit das wahrscheinlich schönste Beispiel für Bullshit Bingo, das jemals auf LinkedIn veröffentlicht wurde.
Das ist wie ein Veganer, der bei McDonald’s Cheeseburger im Dutzend verdrückt, aber betont: „Ich mach das nur wegen der Ballaststoffe.“
Die Analyse: Warum diese Texte so sind
Jetzt die ernste Note: Solche Stellenanzeigen sind kein Zufall.
Sie entstehen in einer Generation von HR-Abteilungen, die an Unis, Workshops und Diversity-Seminaren jahrelang mit Buzzwords, Selbstoptimierungs-Mantras und Woke-Formeln zugeschissen wurden.
Das Vokabular ist nicht mehr Werkzeug, sondern Ersatzreligion.
Die Logik dahinter:
- Emotional verkaufen statt ehrlich beschreiben. Der Job ist harter Haustürvertrieb, aber das liest sich halt nicht sexy. Also wird ein „Gestalte die Zukunft mit uns“-Mantel drübergelegt.
- Woke-Branding als Maske. Man betont Chancengleichheit, Vielfalt und Humor – aber in Wahrheit werden die meisten nach drei Monaten wieder aussortiert, weil die Performance nicht stimmt.
- Buzzword-Inflation als Schutzschild. Je mehr man Worte wie „Vertrauen“, „Gewinnen“ und „Vielfalt“ stapelt, desto weniger reden alle über den eigentlichen Kern: Klinkenputzen mit Tablet in der Hand.
Am Ende rekrutiert man so exakt die Zielgruppe, die auf LinkedIn auch „Purpose-Driven“, „Gamechanger“ und „People-Person“ in ihre Bio schreibt.
Und genau diese Generation wird verheizt – von denselben Firmen, die sich in ihren Stellenanzeigen als Familie, Safe Space oder „Zukunftsgestalter“ verkaufen.
Fazit
Die Magenta-Anzeige ist kein Einzelfall. Sie ist ein Symptom.
Ein Symptom für eine Arbeitswelt, die sich selbst in eine Mischung aus Werbeclip, Diversity-Workshop und Motivationstraining verwandelt hat.
Die Texte wirken wie ein Spiegel:
Nicht, weil sie uns etwas über den Job sagen – sondern weil sie zeigen, wie die Köpfe ticken, die sie verfassen.
Eine ganze Generation in HR, PR und Marketing ist so tief in der Blase der Woke-Buzzword-Sprache gefangen, dass sie gar nicht mehr merkt, wie grotesk ihre Texte klingen.
Und deshalb wirken diese Anzeigen wie ein Live-Kabarett:
Slapstick, ohne dass jemand die Pointe schreiben musste.
Das Publikum lacht, aber die Autoren merken es nicht.
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